Das Symposium stellt die Frage in den Mittelpunkt, wie angehende Lehrpersonen bereits in der ersten Phase der Lehrkräftebildung auf den professionellen Umgang mit der zunehmenden Heterogenität ihrer künftigen Schülerschaft vorbereitet werden können und wie hierbei sowohl fachspezifische als auch fächerübergreifende Kompetenzen systematisch gefördert werden können. Die einzelnen Beiträge fokussieren dazu im Sinne einschlägiger Modelle zu professionellen Kompetenzen von Lehrpersonen auf unterschiedliche Facetten (z.B. Wissen, Einstellungen, professionelle Wahrnehmung oder Selbstwirksamkeit) und stellen Möglichkeiten vor, wie der Kompetenzzuwachs empirisch untersucht werden kann.
Vier exemplarische Lehrprojekte aus verschiedenen Initiativen, die die systematische Verbesserung der Lehre zum Ziel haben und unterschiedliche Modelle hochschuldidaktischer Innovation darstellen, werden vorgestellt: das durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung geförderte Teilprojekt ProHet zur Professionalisierung im Hinblick auf Heterogenität und Diversität sowie das von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderte Projekt DiKuLe (Digitale Kulturen der Lehre entwickeln) sowie ein Projekt in Kooperation mit einem Träger der Jugendhilfe.
Die Lehrprojekte fokussieren unterschiedliche Ziele mittels verschiedener innovativer Methoden. Während zwei Beiträge auf das Potenzial der Arbeit mit Unterrichtsvideos fokussieren und dabei als Zielkriterien die Verbesserung der professionellen Wahrnehmung (Beitrag 1 von Kassens et al.) der Studierenden und die Selbstwirksamkeit (Beitrag 2 von Schlosser et al.) untersuchen, lotet Beitrag 3 (Anderka et al.) Möglichkeiten einer Theorie-Praxis-Kooperation zur Förderung benachteiligter Kinder aus. Beitrag 4 (Keimerl et al.) präsentiert ein Lehrkonzept, das angehenden Lehrkräfte Anregungen für einen heterogenitätssensiblen Fremdsprachenunterricht geben soll und stellt dabei den Mehrwert interdisziplinärer Kooperation heraus.
Auf einer übergeordneten Ebene wird in der abschließenden Diskussion darauf eingegangen, welche Aspekte sowohl inhaltlich als auch methodisch-didaktisch für erfolgreiche Lehrkonzepte zum Thema Umgang mit Heterogenität in der Lehrkräftebildung bedeutsam sein dürften und inwiefern die vorgestellten Lehrkonzepte diese Kriterien erfüllen. Außerdem werden weiterführende Anregungen für innovative Lehrkonzepte sowie begleitende empirische Studien gegeben.
Hintergrund
In der Lehrer*innenbildung können Unterrichtsvideos einen Einblick in die Praxis geben, ohne dass Studierende dabei direktem Handlungsdruck ausgesetzt werden (Krammer & Reusser, 2015). Gerade in der Online-Lehre kann eine intensive und eigenständige Auseinandersetzung mit den Videos erfolgen (Hess, 2021). Allerdings fehlt besonders in asynchronen Lehrformaten die direkte Interaktion der Studierenden mit den Dozierenden. Daher bietet es sich an die Videos um interaktive Elemente wie Beobachtungsaufträge, Fragen und direktes Feedback zu ergänzen. Inwiefern durch solch eine interaktive Form der Videoanalyse die professionelle Wahrnehmung gefördert werden kann, wurde bisher aber noch kaum empirisch erforscht.
Fragestellung
Da gerade in der Grundschule eine „unausgelesene Schülerschaft“ (Inckemann & Sigel, 2016, S. 10) vorliegt, soll die professionelle Wahrnehmung von Studierenden im Bereich des professionellen Umgangs mit Heterogenität fokussiert werden. Im Vortrag wird folgende Frage fokussiert: Wie kann man professionelle Wahrnehmung zum Umgang mit Leistungsheterogenität videobasiert erfassen?
Methode und Ergebnisse
Um dieser Frage nachzugehen, wird ein Instrument zur Erfassung der professionellen Wahrnehmung zum Umgang mit Leistungsheterogenität entwickelt. Dieses soll langfristig in einer digitalen, interaktiven Lernumgebung eingesetzt werden. Das Forschungsvorhaben ist in das durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderte Projekt DiKuLe (Digitale Kulturen der Lehre entwickeln) eingebettet.
Im Rahmen einer Pilotierung im SoSe 2022 setzen sich Grundschullehramtsstudierende über eine Online-Lernplattform eigenständig mit Unterrichtsvideos auseinander. Ihre professionelle Wahrnehmung wird mit einem videobasierten Instrument erfasst, das sowohl auf Aspekte des Erkennens, Beschreibens, Bewertens von bedeutenden Unterrichtssituationen als auch auf die Entwicklung von Handlungsalternativen fokussiert ist. Im Vortrag werden die Ergebnisse der Pilotierung vorgestellt.
Theoretischer Hintergrund
Der Einsatz von Unterrichtsvideos zeigt in der Lehrer*innenbildung positive Effekte hinsichtlich der Förderung professioneller Kompetenzen, aber auch der Selbstwirksamkeit (z.B. Blomberg et al., 2013). Jedoch ist noch unklar, welche Mechanismen zur Steigerung der Selbstwirksamkeit führen. Bandura (1986) verweist diesbezüglich auf den Einfluss von stellvertretenden Erfahrungen und Emotionen. Studien zeigen zudem eine Assoziation von Reflexion und Selbstwirksamkeit (z.B. Naidoo & Naidoo, 2021). Über die Zusammenhänge zwischen Emotion, Reflexion und Selbstwirksamkeit im Kontext von Unterrichtsvideoanalysen ist wenig bekannt.
Fragestellung
Wie wirkt sich eine videobasierte Lernumgebung auf die Veränderung heterogenitätsbezogener Selbstwirksamkeit aus und welche Rolle spielen dabei Emotionen und Reflexionstiefe?
Methoden
In einer Online-Lernumgebung analysierten Studierende in den Experimentalgruppen Unterrichtsvideos bzw. textbasierte Fallbeispiele. Dabei wurden zusätzlich die Beobachtungsaufträge variiert (offen versus strukturiert). 156 Grundschullehramtsstudierende (83% weiblich) nahmen an der Intervention teil. Folgende Evaluationsinstrumente wurden verwendet: Selbstwirksamkeit für unterrichtliche Differenzierung (Meschede & Hardy, 2020; α=.81); Positive and Negative Affect Schedule (Breyer & Bluemke, 2016; positive affect: α=.86; negative affect: α=.82), Theoretische Kontextualisierung (α=.66) und Bewertung (Reinders, 2016; α=.86).
Ergebnisse und Ausblick
Erste Ergebnisse zeigten eine signifikante Steigerung der Selbstwirksamkeit in der Videogruppe mit strukturierten Aufgaben (F(1,15)=9.34, p=.008), während diesbezüglich kein Effekt in den anderen beiden Gruppen (Videogruppe mit offenen Aufgaben, Textgruppe) verzeichnet werden konnte. Weitere Zusammenhangsanalysen werden durchgeführt, um die Prädiktion der Selbstwirksamkeit durch Emotion und Reflexion zu untersuchen. Die Ergebnisse werden anhand bereits bestehender Forschung diskutiert.
Hintergrund
Angesichts einer heterogenen Schülerschaft zielen akademische Initiativen (z.B. BMBF, 2022) darauf, angehenden Lehrkräften Professionswissen im Umgang mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen zu vermitteln. Evaluationen heterogenitätsbezogener Lehrformate verwiesen aber häufig auf geringe fachspezifische Bezüge (Heyne, 2019). Mit dem Ziel der Zusammenführung bildungswissenschaftlicher und fachdidaktischer Konzepte über mehrere Fremdsprachendidaktiken hinweg, wurde das Lehrformat „BilDid“ entwickelt.
Fragestellungen
1. Wie kann ein Seminarkonzept hochschuldidaktisch gestaltet werden, um angehende Lehrkräfte zu heterogenitätssensiblem Fremdsprachenunterricht anzuregen? Welchen Mehrwert hat hierbei die Interdisziplinarität?
2. Inwieweit können Einstellungen und Selbstwirksamkeit Lehramtsstudierender im Umgang mit Heterogenität im Fremdsprachenunterricht gefördert werden?
Methodisches Vorgehen
Das Lehrformat „BilDid“ ist Teil des WegE-Projekts, das im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1915 gefördert wird. Aus Perspektive der Bildungswissenschaften sowie der einzelnen Fremdsprachendidaktiken werden Unterschiede zwischen Lernenden hinsichtlich Leistung, Motivation, Geschlecht, Lernverhalten sowie Herkunftssprachen fokussiert. Eine Prä-Post-Evaluation mit Lehramtsstudierenden zur Einschätzung der Selbstwirksamkeit in heterogenitätssensibler Unterrichtsgestaltung wird durch eine Inhaltsanalyse studentischer Portfolios ergänzt.
Ergebnisse und ihre Bedeutung
Die Evaluation der nach dem Prinzip des Constructive Alignments (Biggs, 2003) entwickelten Lehrziele, Lernaktivitäten und Prüfungsformate deutet auf den Mehrwert der Verzahnung von pädagogisch-psychologischer Lehr-Lernforschung mit fachdidaktischen Konzepten und Good-Practice-Beispielen hin. Positive Einstellungen und Selbstwirksamkeit Lehramtsstudierender zeigten sich v.a. im Umgang mit verschiedenen Herkunftssprachen Fremdsprachenlernender. Um „mehr“ als die Addition disziplinärer Wissensstände und eine hohe Beteiligung Studierender zu erzielen, werden Möglichkeiten adaptiver Hochschullehre kritisch-würdigend diskutiert.
Hintergrund und zentrale Fragestellung
Zukünftige Lehrkräfte in ihrem Kompetenzerwerb für einen professionellen Umgang mit Heterogenität im Unterricht zu unterstützen, stellt eine zentrale Aufgabe der ersten Phase der Lehrerbildung dar (z.B. Fischer, 2017; HRK & KMK, 2015). Im fächerübergreifenden Theorie-Praxis-Projekt LeGu arbeiten vier universitäre und ein externer Partner zusammen, um Studierenden zu ermöglichen, nach einem dreitägigen Vorbereitungsseminar (Theorieteil) Viertklässler*innen in Kleingruppen die folgenden neun Monate in Mathematik und Deutsch unter dem Fokus der Stärkung ihrer Selbstwirksamkeit zu fördern. Zielgruppe der Förderung sind sozial- und bildungsbenachteiligte Kinder, die das Klassenziel ohne Unterstützung voraussichtlich nicht erreichen würden. Hierbei werden die Studierenden von fortgeschrittenen Studentinnen als Mentorinnen in Einzel- und Gruppenreflexionen begleitet. In der Begleitevaluation wird der Frage nachgegangen, ob die Studierenden durch die Kopplung von Theorie- und Praxiserfahrung im Vergleich zu Studierenden, die nur den Theorieteil absolviert haben, ihre Selbstwirksamkeit für den Umgang mit Heterogenität steigern können (z.B. Greiner et al., 2021).
Methodisches Vorgehen
Zu drei Messzeitpunkten wird die Selbstwirksamkeit der Studierenden für den Umgang mit Heterogenität in einem Fragebogen von Meschede & Hardy (2020) erhoben. Der erste Messzeitpunkt stellt den Pretest zu Beginn des Projekts dar, der zweite schließt sich direkt an das Ende des Theorieteils an. Der dritte findet mit allen Studierenden zum Ende der Praxisphase statt.
Gewonnene Erfahrungen und ihre Bedeutung
Auf der Konferenz werden Ergebnisse zur Begleitevaluation berichtet. Erfahrungen mit der gemeinsamen Steuerung des Projekts (uniinterne und -externe Partner, hier Don Bosco Jugendwerk Bamberg) aus den Reflexionstreffen werden mit allen Beteiligten diskutiert.